Mittwoch, 31. Oktober 2012

Kapitel 3.2 – Schenkwirtschaft und überfließende Fülle

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«


Die Natur betreibt Schenkwirtschaft


»Die Natur produziert Nahrung aus sich selbst heraus
und schenkt sie ihren Lebewesen.«
–  Joytopia

Die Mitglieder der Natur tun das, was sie tun, aus innerem Antrieb heraus. Die fleißige Biene sammelt Nektar, den ihr die Blüte schenkt, weil dies ihrem Wesen entspricht. Sie kann gar nicht anders. Sie folgt ihrer inneren Motivation, ihrem Instinkt. Ganz nebenbei bleiben Blütenpollen an ihren behaarten Beinen hängen. Und während sie von Blüte zu Blüte fliegt, trägt sie den Blütenstaub weiter und trägt zur Befruchtung bei. Aus den befruchteten Blüten wachsen Früchte heran: Äpfel, Birnen, Pflaumen, Beeren, Tomaten, Erbsen, Bohnen..., leckeres Essen für Menschen und Tiere – alles geschenkt.

Wiederum ganz nebenbei laufen oder fliegen die Tiere herum und lassen ihren Haufen fallen, wo es ihnen beliebt (auch unsere menschlichen Vorfahren taten das). Der Same fällt, eingebettet in kostbaren Dung, auf die Erde und kann dort zu einer neuen Pflanze heranwachsen. Damit dies alles geschehen kann, schenkt uns die Sonne Wärme. Aus den Wolken regnet Wasser. Würmer und andere Organismen machen den Boden fruchtbar und schließen die Nährstoffe auf, so dass sie von den Wurzeln aufgenommen werden können – einfach so.

Hat irgendein Lebewesen einen Vertrag mit den anderen gemacht? Kredit aufgenommen? Bedingungen gestellt? – Wer hat sich dieses wunderbare Zusammenspiel einfallen lassen? Der Zufall? Wohl kaum, denn »Gott würfelt nicht«. Gott schenkt uns das Wertvollste, was wir haben: unser Leben. Die Natur betreibt also Schenkwirtschaft. Keine Marktwirtschaft, keinen Kommunismus und keinen Kapitalismus – Schenkwirtschaft, sonst nichts!

Ein paar Reste der Schenkwirtschaft haben wir Menschen uns noch bewahrt. In unseren Kulturen und Religionen finden wir noch etwas davon: »Geben ist seliger als Nehmen« bei den Christen, die Großzügigkeit bei den Buddhisten, die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Orientalen, die Geschenkfeste der Indianer. Und auch das freiwillige Engagement der Bürger, Spenden, Barmherzigkeit..., Qualitäten und Aktivitäten, ohne die unsere moderne Gesellschaft gar nicht mehr funktionieren würde.



Überfließende Fülle


»Wenn die Natur in Ordnung ist, herrscht überfließende Fülle, das heißt, es ist mehr Nahrung da, als gebraucht wird. Die Nahrung ist vergänglich und kann nur eine bestimmte Zeit gelagert werden«.
– Joytopia

Nicht nur, dass uns die Natur schenkt, was wir brauchen. Sie schenkt es uns auch in überfließender Fülle. Wenn wir an einem Fluss sitzen, fließt von der einen Seite ständig frisches Wasser zu, viel mehr, als wir jemals brauchen werden. Alles Wasser, das wir nicht brauchen, fließt weiter. So war zumindest der Urzustand, bevor die Industrialisierung in großem Stil das Wasser verbrauchte, verschmutzte und vergiftete. Man konnte damals in den Flüssen baden und das Wasser aus den Bächen und Flüssen trinken.

Ein weiteres Beispiel: ein gesunder Apfelbaum trägt viele Früchte. Tiere (sofern sie nicht als Plage einfallen) ernten nicht den ganzen Baum ab, sondern fressen, was sie brauchen. Den Rest lassen sie am Baum. Auch hier liefert die Natur mehr, als gebraucht wird. Die nicht verzehrten Äpfel gehen durch Verwesung wieder in den natürlichen Kreislauf ein.

Interessant ist die Beobachtung, dass in der lebendigen Natur durch das Gebrauchen einer Ressource oft eine Wertschöpfung stattfindet. Pflanzen und Tiere, die Wasser trinken, wachsen, vermehren sich oder halten sich wenigstens am Leben. Der Verzehr von Früchten dient außerdem der Vermehrung der Pflanzen, die die Früchte produziert haben – ein Dank der Nutznießer an die Spender.


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