Freitag, 30. November 2012

Kapitel 2.3 – Das Joytopia-Modell

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«



 „Joytopia hat wie jeder Staat auf Freegaia die Geldhoheit und damit das alleinige Recht zur Geldschöpfung. Unser Geld wird nicht mehr durch Schulden geschöpft, sondern durch das Leben selbst. Die Währung ist der Gradido, das heißt so viel wie »Danke«. Die Geldschöpfung erfolgt nach einfachen Regeln. Für jeden Staatsbürger werden jeden Monat 3.000 Gradido geschöpft.

Ein Drittel des geschöpften Geldes wird für ein Grundeinkommen verwendet. Das zweite Drittel für den Staatshaushalt und das dritte Drittel für den Ausgleichs- und Umweltfonds. Wir nennen dies die Dreifache Geldschöpfung.

Zunächst hatten Joytopia und die anderen Staaten einen General-Schuldenerlass beschlossen. Um niemand zu schädigen, schrieben die Staaten den Gläubigern das ihnen zustehende Geld auf ihren Konten gut. Das mag ungewöhnlich klingen, aber Geld ist ja nur eine Zahl in einer Datenbank, die gemäß verbindlicher Vereinbarungen erstellt wird. Und die Staaten, die bei uns Geldhoheit haben, hatten dies gemäß Volksentscheid so vereinbart.

Danach wurde die Zinswirtschaft abgeschafft und eine vergängliche Währung eingeführt. Von da an machte es keinen Sinn mehr, Geld über längere Zeit zu horten, da es immer weniger wird.“

„Vergängliche Währung? Bei uns nennen wir das Inflation!“

„Das Wort Inflation stammt aus dem Sprachgebrauch des alten Wirtschaftssystems und trifft den Sinn nicht. Wir sprechen vom Kreislauf des Lebens, dem natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen.“

„Wie hoch ist die Vergänglichkeit auf Freegaia?“

„Anfangs hatten wir etwas herum experimentiert. Inzwischen haben sich alle Staaten auf 50% pro Jahr geeinigt. Das heißt, nach einem Jahr ist vom Geld noch die Hälfte übrig.“

 „Heißt das, wenn dieses Jahr eine Brezel einen Gradido kostet, kostet sie in drei Jahren acht Gradido?“

„Gradido ist elektronisches Geld, und die Vergänglichkeit wird vom Konto abgebucht. Der Wert des Gradido bleibt konstant, und deine Brezel kostet in drei Jahren immer noch einen Gradido. Wir hatten auch ein Modell für vergängliches Papiergeld entwickelt, doch das kam bei uns nicht mehr zum Einsatz.“

„Wie funktioniert das nun im täglichen Leben?“



Tausend Dank weil du bei uns bist!


"Der Staat schöpft für jeden seiner Bürger jeden Monat 3 mal 1.000 Gradido. Du erinnerst dich: Gradido heißt Danke. Jeder Bürger hat das Recht auf ein Aktives Grundeinkommen von 1.000 Gradido. Der Staat, also die Gemeinschaft aller Bürger, sagt jedem einzelnen Menschen danke: »Tausend Dank, weil du bei uns bist!«

Das Grundeinkommen von 1.000 Gradido deckt die Lebenshaltungskosten und ermöglicht jedem Menschen ein würdiges Leben. Die zweite Silbe von Gradido, das »Di« steht für Dignity, das englische Wort für Würde. Das Recht auf Grundeinkommen haben alle Menschen: Kinder, Erwachsene und alte Menschen. Alleinerziehende Eltern mit zwei Kindern erhalten zum Beispiel 3.000 Gradido monatlich. Dadurch sind sie Singles gleichgestellt.“

„Handelt es sich um ein Bedingungsloses Grundeinkommen?“

„Das Aktive Grundeinkommen garantiert Bedingungslose Teilhabe an der Gemeinschaft. Jeder hat das Recht – nicht die Pflicht – zur Bedingungslosen Teilhabe. Teilhabe besteht aus Geben und Nehmen. Jeder Mensch hat also das Recht, seinem Wesen entsprechend zum Gemeinwohl beizutragen. In den örtlichen Vollversammlungen besprechen wir, welche Arbeiten anliegen und wer was machen kann und will. Bezahlt werden 20 Gradido pro Stunde. Jeder darf 50 Stunden bezahlten Gemeinschaftsdienst im Monat leisten und damit seine 1.000 Gradido als Dank verdienen.“

„Wie ist das mit Kindern, alten und kranken Menschen?“

„Jeder kann seinem Wesen entsprechend beitragen. Die Arbeit soll Freude machen und Kraft geben. Niemand muss etwas tun, was er oder sie nicht wirklich gerne macht. Das führt dazu, dass die Menschen bis ins hohe Alter noch sehr fit sind. Wenn mal jemand krank wird, will er meistens trotzdem etwas Sinnvolles beitragen, denn er weiß, dass es ihm Kraft gibt und Freude macht. Und falls es nicht geht, wird das Grundeinkommen selbstverständlich weiter bezahlt.

Kinder wollen sich ihrem Alter entsprechend spielerisch einbringen. Kinder, die in frühem Alter bereits etwas Wichtiges tun dürfen, haben große Freude daran. Es stärkt ihr Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl, und außerdem bleiben sie gesünder.“

„Du sagtest, dass jeder das Recht zur Bedingungslosen Teilhabe hat, aber nicht die Pflicht. Wer sollte das nicht wollen?“

„Manche Menschen ziehen es vor, ihre ganze Zeit in ihre berufliche Tätigkeit einzubringen. Weil sie dort mehr verdienen, weil sie dort mehr gebraucht werden, weil es ihnen mehr Spaß macht oder aus welchen Gründen auch immer. Jeder kann sich frei entscheiden.“

„Dann kann es also überhaupt keine Arbeitslosigkeit geben!“

„Keine Arbeitslosigkeit, keine Rentenprobleme, bessere Gesundheit, mehr Freizeit. Das Aktive Grundeinkommen hat so viele Vorteile.“

„Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens sagen, dass unter Umständen nicht genug produziert wird, weil sich zu viele Menschen auf die faule Haut legen.“

„Genau deshalb haben wir das Aktive Grundeinkommen eingeführt. Geben und Nehmen gehört zusammen. Wir sind weitgehend frei darin, was wir beitragen, aber irgendetwas beitragen müssen wir, wenn wir Geld verdienen wollen. Ob wir nun zum Gemeinwohl beitragen oder in der freien Wirtschaft arbeiten oder beides:  es ist wie in der Natur. Jeder beschäftigt sich seinem Wesen entsprechend. Wer gerne Brot bäckt, bäckt Brot, wer gerne musiziert, macht Musik. Manche Bürger üben mehrere Berufe aus, weil es ihnen Spaß macht, vielseitig zu sein. Wir tun, was wir lieben, liefern beste Qualität und sind erfolgreich damit. Die Wirtschaft, insbesondere Kleingewerbe, Dienstleistungen und Kunst, floriert bei uns wie noch nie. Andererseits arbeitet jeder nur soviel, wie es ihm Spaß macht. Deshalb gibt es keine Überproduktion, die die Umwelt unnötig belastet.“

„Wer macht bei Euch die Drecksarbeit?“

„Durch die rasante technologische Entwicklung haben Dreckarbeiten stark abgenommen. Unsere Häuser sind mit Kompost-Toiletten ausgestattet, die absolut geruchsfrei sind. Alles Verpackungsmaterial und die meisten Gebrauchsgegenstände sind kompostierbar. Unsere Häuser werden im Baukastensystem gebaut, das aus natürlichen Materialien besteht. Schwere und unbeliebte Arbeiten werden von Maschinen erledigt. Die verbleibenden unangenehmen Arbeiten werden entsprechend hoch bezahlt. Schon mancher hat sich mit etwas Drecksarbeit einen wundervollen Urlaub finanziert.“

„Gibt es weitere Vorteile?“

„Alle Pflichtabgaben fallen weg: Steuern, Krankenkasse, Rentenversicherung...“

„Wieso das denn?“

„Du erinnerst dich: das zweite Drittel der Geldschöpfung ist für den Staatshaushalt bestimmt. Da der Staat sein Geld selbst schöpft, braucht er keine Steuern einzutreiben. Das bedeutet: keine Finanzämter, keine Buchhaltung, keine Schwarzarbeit und viel weniger Verwaltung. Der Staat finanziert soziale Leistungen, wie Gesundheitswesen, Pflege, Renten, Notfallhilfe usw. aus der zweiten Geldschöpfung.“

„Wenn der Staat sein Geld einfach so druckt, gibt es da keine Inflation?“

„Der Staat druckt nicht einfach so! Die Geldschöpfung erfolgt nach internationalen Vereinbarungen: 3.000 Gradido pro Kopf pro Monat. Das ist in allen Staaten gleich. Aber du hast recht: hätten wir keine geplante Vergänglichkeit in unser Geldsystem eingebaut, gäbe es Inflation. Vergänglichkeit ist Naturgesetz. Inflation wäre also ungeplante Vergänglichkeit. Der Kreislauf von Werden und Vergehen macht Gradido zu einem selbstregulierenden System. Die Geldmenge ist stabil und kann nicht manipuliert werden. Sie pendelt sich automatisch auf den Wert ein, wo sich Geldschöpfung und Vergänglichkeit die Wage halten.“

"Wie haltet ihr es mit dem Umweltschutz?"

"Das dritte Drittel der Geldschöpfung geht an den Ausgleichs- und Umweltfonds (AUF). In der gleichen Höhe wie der Staatshaushalt steht also ein zusätzlicher Topf für Natur und Umwelt zur Verfügung. So etwas gibt es in keinem anderen Geldmodell! Je nach Umweltfreundlichkeit werden Produkte und Dienstleistungen subventioniert. Natur- und Umweltschutz sind dadurch die lukrativsten Wirtschaftszweige geworden. Umweltschädliche Produkte haben keine Chancen mehr am Markt. Außerdem haben wir das Patentrecht novelliert."

"Was hat das Patentrecht mit Umweltschutz zu tun?"

"Nun, alle neuen Ideen und Erfindungen gehören der Allgemeinheit. Stell dir vor, wir hatten früher über hundert Jahre damit vergeudet, unsere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren anzutreiben. Entsetzlicher Gestank hatte sich über den Planeten ausgebreitet. In manchen Großstädten wurden Automaten angebracht, wo die Leute gegen Geld Sauerstoff einatmen konnten! Jeder Fahrzeughersteller beschäftigte damals sein eigenes Forschungs- und Entwicklungsteam, das seine Ergebnisse geheim hielt oder patentieren ließ. Am Ende ließ man fast jede einzelne Schraube patentieren. Kein Wunder, dass die Entwicklung nicht voran ging. Da nach der Novellierung des Patentrechts jeder seine Ideen und Erfindungen frei verschenkte (er wird vom Ausgleichs- und Umweltfonds dafür honoriert), entwickelten wir in  wenigen Monaten den Freie-Energie-Antrieb! Wie bei einem großen Puzzlespiel brachte jeder Erfinder und Entwickler seinen Stein an die richtige Stelle.“

„Du verwendest oft den Begriff Freies Schenken. Was meinst du damit?“

„Freies Schenken ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Während es früher darauf ankam, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, gilt es beim Freien Schenken mit möglichst wenig Aufwand sich selbst und anderen  möglichst großen Nutzen oder möglichst große Freude zu bereiten. Dabei ist eine direkte Gegenleistung nicht so wichtig, weil Nutzen und Freude auf den Frei Schenkenden mehrfach zurückfallen.

Ein gutes Beispiel ist die Natürliche Ökonomie des Lebens. Der Staat schenkt jedem das Recht auf Teilhabe. Jeder darf sich einbringen und bekommt dafür tausend Gradido Grundeinkommen: »Tausend Dank weil du bei uns bist«. Damit gibt es keine Armut mehr, keine Arbeitslosigkeit, und je mehr Gemeinschaftsleistungen erbracht werden, desto reicher werden alle gemeinsam. Und das ist nur der Anfang. Mit dem Grundeinkommen ist jeder versorgt, hat aber noch viel Zeit übrig für andere Dinge. Viele gehen zusätzlichen Beschäftigungen nach. Ihr Verdienst ist steuerfrei, denn der Staat hat seinen Haushalt mit der zweiten Geldschöpfung bereits abgedeckt. Deshalb können sich die Leute auf ihre wesentlichen Tätigkeiten konzentrieren. Kannst du dir vorstellen, wie viel Potenzial dadurch frei wird? Die dadurch entstehende Wertschöpfung kommt allen Bürgern und damit auch wieder dem Staat zugute.

Ein weiteres Beispiel ist das, was ihr Nachbarschaftshilfe nennt: Ein Freund hilft dem anderen auf dem Gebiet, was er am besten kann und was der andere gerade braucht. Oder man hat einen bestimmten Gegenstand übrig, den jemand anderes gebrauchen kann. Wenn man ihn verschenkt, hat man selbst wieder Platz, und der andere hat den begehrten Gegenstand. Da Geld in überfließender Fülle vorhanden ist, hat es an Wichtigkeit verloren. Wir alle sind freigiebiger geworden und haben einen riesigen Spaß am Schenken!“


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